Das erste Jahr in Paraguay

Das erste Jahr in Paraguay

Das erste Jahr seit der Auswanderung nach Paraguay ist geschafft. Bleiben wir hier? Vermutlich nicht. Der heutige Beitrag stellt Pro und Kontra gegenüber und gewährt einen Einblick in das Thema Auswanderung im Allgemeinen und einen tiefen Blick in das tägliche Leben im Herzen Südamerikas.
In jedem Falle ist eine Auswanderung eine echte Bereicherung und hält einem den Spiegel vor. Man sieht sich plötzlich mit den eigenen Vorurteilen konfrontiert.

Vorteile

  • Einwandfreie Luft durch viel Vegetation und im Verhältnis wenig Beton
  • Sehr freie Lebensgestaltung ohne nennenswerte Fremdbestimmung
  • 300 Sonnentage im Jahr
  • Lächeln ist hier absoluter Standard
  • Günstige Lebenshaltung
  • Westliches Warenangebot wird stetig erweitert
  • Europäische Ereignisse sind nicht relevant
  • Kein Mittelfinger, kein Kopfschütteln und auch kein Vogelzeigen
  • Renditestarke Investitionen möglich
  • Geringe bis keine Steuern
  • Die Paraguayer feiern Dinge, welche sie zum ersten Mal sehen und sind sehr hilfsbereit
  • Freie Straßen und neu gebaute „Autobahnen“
  • Vielfältige Tierwelt
  • Südfrüchte direkt aus dem Garten

Nachteile

  • LANGEWEILE
  • Müll und Dreck fast überall
  • Gemüse im Einzelhandel oft kurz vor dem Vergammeln
  • Angebot an guten Restaurants sehr überschaubar
  • Onlinebestellungen sind fast nur über Beiladung sinnvoll machbar und dauern 2-3 Monate bis zur Lieferung
  • Insekten ohne Ende, ganz vorne dabei die Moskitos
  • Die Armut ist allgegenwärtig
  • Tiere haben hier selten Freude am Leben, viele müssen hungern und kassieren Prügel
  • Kriminalität ist ein Thema, auf das man sich einstellen muss
  • Immer wieder Stromausfälle
  • La musica (120DB+) ist allgegenwärtig, stille Orte sind eher schwer zu finden. Außer im „Outback“
  • Manche Paraguayer sehen im Europäer einen Goldesel

Landsleute

Im Grunde genommen gibt es zwei Gruppierungen derer, die sich hier niedergelassen haben. Es gibt die „Alteingesessenen“ und die Neuen. Diese wiederum teilen sich in die beiden Gruppen „Aufgabe gefunden und glücklich“ und „Keine Aufgabe gefunden und Alkoholiker“.
Sind finanzielle Interessen im Spiel, ist Vorsicht das oberste Gebot. Immer.

Wohnen

Immobilien gibt es hier wie Sand am Meer. Die meisten sind jedoch völlig überteuert und nur von Europäern bezahlbar. Ähnliches gilt für die Mietpreise. So kommt es, dass z.B. in Costa Rica Immobilien teils weit günstiger angeboten werden als hierzulande. Frisch Eingereiste haben in ihrem Hirn natürlich nur die europäischen Preise zum Vergleich und halten es hier für günstig. Die meisten checken es dann aber nach einer Weile. Man kann hier sowohl modern und westlich bauen und mieten oder auch in einer Hütte ohne Fenster hausen. Ganz nach dem eigenen Geschmack.

Espanol

Ich gebe zu, im Bereich Sprachen lernen bin ich eine faule Socke. Dennoch hat sich schon einiges an Sprachwissen angesammelt und der Alltag lässt sich mittlerweile problemlos bestreiten. Na gut, der elektronische Übersetzer ist schon öfters mit dabei.

Persönliche Entwicklung

In Paraguay hat man häufig viel Zeit, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Ich bin so frei, zu behaupten, dass ich das auch bei mir angewendet habe und weiterhin anwende. Ich habe Zeit und Ruhe mich auf meine Interessen zu fokussieren. Gängeleien jeglicher Art bleiben mir erspart. Wesentliche Charakterzüge blieben mir erhalten. Jedoch bin ich weitaus geduldiger geworden.
Bedingt durch die hohe Eigenverantwortung habe ich den Umgang mit Schusswaffen gelernt. Wundversorgung und kleine „Operationen“ bei Tieren gehören mittlerweile zum Alltag. Mit dem Motorrad fahre ich, frei nach dem Motto: „Je oller, je doller“, schneller durchs Gelände als jeder Paraguayer. Mit dem Traktor kann ich auch ohne Servolenkung meine Runden drehen. Bäume müssen auf dem Land ab und an auch gefällt werden. Das schaffe ich, ohne mir die Beine mit der Kettensäge abzutrennen. Selbiges gilt auch für die Motorsense.
Ich wurde vom Katzenmensch zum Hundenarr.

Seitenwechsel

Früher fand ich es immer sehr wichtig, dass Einwanderer die Sprache und die Kultur übernehmen müssen und wer das nicht macht, faul oder respektlos ist. Heute denke ich, dass dies insbesondere ab dem mittleren Alter nicht einfach ist. Eine Mischung aus Bequemlichkeit und Überforderung.
Viele Landsleute benehmen sich hier so, wie es zuvor im Geburtsland bei Ausländern bemängelt wurde. Ich selbst behalte mein Wertesystem überwiegend bei, übernehme Dinge von Paraguay und halte mich mit meinen westlichen Vorstellungen zurück.

Ausblick

Sofern ich es schaffe, mein Kapital in den nächsten Monaten und Jahren zu vermehren, lautet das nächste Reiseziel Costa Rica. Dort sind die Lebenshaltungskosten im Vergleich zu Paraguay deutlich höher. Ohne Moos also nix los.
Sofern uns das Leben dort gefällt, wird Paraguay nur noch der Zweitwohnsitz sein. Ob wir hier Eigentum erwerben steht deshalb noch in den Sternen.

Mein Fazit

Paraguay ist das perfekte Land, um eine Weile zu entspannen und sich persönlich weiter zu entwickeln. Ohne eine echte Aufgabe wird es hier aber schnell zu einem Leben auf dem Abstellgleis.
Das erste Jahr in Paraguay war für meinereiner in der Retrospektive eine Erfolgsgeschichte.

2 Kommentare zu „Das erste Jahr in Paraguay“

  1. Vielen Dank für Deinen Einblick in Paraguay. Ich lebte sechs Jahre in den Philippinen, die Nachteile lesen sich ziemlich gleich aber mit viel mehr Luftfeuchtigkeit.

    Kannst Du bitte zum Thema Kriminalität ein paar Worte fallen lassen, auf welche Art von Kriminalität muss ich mich einstellen und wie kann ich mich dagegen schützen.

    Schon mal vorab Dank für Deine Antwort
    Peter

    1. Es gibt hier vier Schwerpunkte: Korruption, Mord, Überfall und Diebstahl. Diebstahl und Überfall sind als Einwanderer die Hauptthemen. Hier hilft es, sich über die Wohngebiete zu informieren. Es gibt zudem speziell gesicherte Gebiete mit Wachschutz. Dort sind die Preise jedoch hoch und der Wohnraum mit Grundstück klein. Sehr oft haben die Opfer von Überfällen vorher in irgendeiner Weise ihre Besitztümer öffentlich gemacht.
      Als Schutz helfen diese gängigen Praktiken: Keine Fremden in das Haus lassen. Wohlstand nicht zeigen, Hunde halten und Waffen griffbereit lagern. Dann noch das passende Wohngebiet wählen und beim Geldautomaten nicht immer zum selben Tag Geld abheben und man kann hier sehr entspannt leben.
      Bezüglich Mord trifft das Überwiegend auf Eifersuchtsdramen zu. Impulsivität & Waffenfreiheit machen es möglich. Dies ist jedoch eher ein Thema unter Paraguayern.

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