Mit dem Motorrad durch halb Südamerika

Im Oktober und damit vor Beginn der Regenzeit sind wir mit dem Motorrad durch halb Südamerika gereist. Von Paraguay nach Bolivien. Dann nach Chile. Danach von Chile nach Argentinien und zurück nach Paraguay. Eine ehrfahrungsreiche Tour mit gelegentlichen Herausforderungen und jeder Menge Kilometer. Der folgende Beitrag listet die Tour tageweise auf und gibt Einblicke über das Reisen mit dem Motorrad. Der Roadtrip dauerte insgesamt 19 Tage und die Reisekasse wurde mit 1.488,37€ belastet. Über 4.000Km wurden zurückgelegt.

Tag 1+2

Wohnsitz – Filadelfia (Paraguay) >400Km
Am ersten Tag geht es mit einer Geschwindigkeit von ca. 85Km/h zur ersten Zwischenetappe in den paraguayischen Chaco. Eine sehr langweilige Landschaft, dafür jedoch mit zwei parallel verlaufenden asphaltierten Straßen. Eine davon frei von Fahrzeugen. Zwischenhalt in Pozo Colorado zum Auftanken und Ausruhen. Wir stellen einen sehr hohen Kraftstoffverbrauch fest und legen den Rest des Weges mit einer geringeren Geschwindigkeit zwischen 66Km/h und 75Km/h zurück.
Die Tagesetappe mit einer Länge von mehr als 400Km macht uns, ausgeruht wie wir sind, wenig aus und gegen Nachmittag erreichen wir unser Ziel, das Hotel Florida. Kurz vor dem Ziel grüßen wir ein pausierendes Biker-Pärchen, welches uns wenig später überholt. Witzigerweise treffen wir dann fast zeitgleich am gleichen Hotel ein und haben 2 Tage lang ausreichend Zeit, uns auszutauschen.
Filadelfia haben wir zu Fuß recht schnell erkundet und außer jede Menge Staub und mennonitischer Kultur haben wir wenig Spannendes vorgefunden.

Tag 3

Filadelfia (Paraguay) – Villamontes (Bolivien) ~429Km
Dieser Tag soll uns irgendwie als Blaupause für den Rest der Reise dienen. Zunächst war eine Übernachtung in der Wildnis geplant. Am zuvor festgelegten Ziel angelangt, kommen mir jedoch Zweifel, ob ich das geschlossene Tor zum Reservat wirklich öffnen soll.
Also fahren wir weiter bis zur Grenze und halten vorher an der grenznahen Tankstelle an, um die Reservebehälter aufzufüllen. Eine nette Begegnung, da wir den Tankwart nahezu gar nicht verstehen, den 70-jährigen Pächter dagegen sehr gut, weil der sich plötzlich an die deutsche Sprache erinnern kann, die er wohl für längere Zeit nicht mehr verwendet hatte.
Der Grenzübergang ist wie gewohnt nicht ausgeschildert und nach mehrmaligem Herumstehen mit irritierter Miene finden wir nach Hilfe eines Grenzbeamten den Grenzposten.
Mürrisch bearbeitet der paraguayische Grenzmensch unsere Cedula. Auch sein Spanisch verstehen wir kaum. Am nächsten Fenster erfahren wir, dass wir unseren Reisepass verwenden müssen, also zurück zu Fenster 1. Der mürrische Mann freut sich nicht wirklich, nimmt die Pässe entgegen und signalisiert uns anschließend mit einer wischenden Handbewegung, dass wir jetzt wieder zu Fenster 2 dackeln dürfen.
Fenster 3 für die Fahrzeuge ist ebenfalls nicht markiert, also laufen wir zu dem Fenster, hinter der eine Frau vorzufinden ist. Die hat ebenfalls keine Lust auf uns und lässt uns zunächst ca. 15min unbeachtet stehen. Dann folgt das übliche Stammeln, Übersetzer bedienen und Grimassen ziehen. Irgendwann gelangen wir zu einem Onlineformular. Während wir dieses ausfüllten, verschwindet die gute Frau wortlos und wir sollten sie auch nicht mehr wiedersehen. Eine gute halbe Stunde später erscheint ein Mann, der uns nach einem kurzen Telefonat versorgt und wir können uns nach mehr als einer vollen Stunde an einer nahezu leeren Grenze wieder auf den Weg machen.
Keiner will einen Führerschein sehen oder eine Versicherung für das Fahrzeug oder für die Person kontrollieren.
Am Nachmittag geht es dann mit sparsamen 66Km/h weiter nach Villamontes, da von nun an keine Kraftstoffversorgung mehr zu erwarten ist. Hin und wieder sehen wir verrottete Kühe am Straßenrand. Die Landschaft wird bergiger und körperlich ziemlich am Ende erreichen wir zum Sonnenuntergang das Hotel. Mangels Internetverfügbarkeit war es vorab nicht buchbar, aber als die einzigen Gäste gibt es mehr als genügend Zimmer zur Auswahl.
Am Folgetag schlendern wir durch Villamontes, so weit die Füße uns tragen können. Es entsteht der Eindruck, dass hier vor einigen Jahren sehr viel Geld eingesetzt wurde. Mittlerweile ist vieles jedoch verfallen, verlassen und ungepflegt. Passend zur derzeit eher ungünstigen wirtschaftlichen Lage des Landes.

Tag 5+6

Villamontes (Bolivien) – Tarjia (Bolivien) ~213Km]
Eigentlich eine entspannte Strecke, bedingt durch die späte Abfahrt und einem erfolglosen Tankversuch erreichen wir dennoch vergleichsweise spät den nächsten Halt. Die Umgebung wird bergiger als zuvor und die Straße ist gut geteert. Auf dem Weg zur Unterkunft erleben wir starke Temperaturunterschiede. Eingepackt müssen wir ein kleines Stück durch Tarjia fahren. Natürlich ist es dort plötzlich sehr warm und die hektische Verkehrslage fordert zusätzlich unser Nervenkostüm. Also kurzer Zwischenstopp zum Meckern und Anpassen der Kleidung.
Endlich erreichen wir das Hotel La Pasarela, welches ich ausdrücklich weiterempfehlen möchte. Der Besitzer spricht neben Spanisch auch gut verständliches Englisch und gibt sich redlich Mühe, seine Gäste zu versorgen.
Dort treffen wir auf Anton, der uns gleich neue Impulse für die Weiterreise setzt. Eine tolle Begegnung und ein schöner Tagesabschluss.

Tag 7

Tarita (Bolivien) – Tupiza (Bolivien) [RN 1] ~209Km
Nach einem traumhaften Frühstück und weiteren Gesprächen machen wir uns auf den Weg zur nächsten Etappe. Wieder eine überschaubare Distanz, die mir jedoch alles abverlangt. Bis zu diesem Tage hielt ich den Begriff „Höhenrausch“ für ein Kunstwort.
Die landschaftlich abwechslungsreiche und traumhafte Strecke beginnt vergleichsweise harmlos. Schotterpiste mit gelegentlichen Spitzkehren.
Irgendwann geht es stetig bergauf und bei ca. 3500m Höhe merke ich eine emotionale Veränderung. Plötzlich spüre ich eine tiefe Traurigkeit und es lösen sich einige Tränen. Unbeirrt fahre ich weiter. Ab 3800m wird es dann abenteuerlich. Ich bekomme starken Durst und werde mit Endorphinen überschwemmt. Überglücklich gabe ich ein „Ich bin so glücklich, die Felsen sind wunderschön, einfach wunderschön“ in das Intercom. Damit nicht genug, ich bekomme allmählich einen Redeschwall und der Durst wird unaushaltbar stark. Immer wieder muss ich anhalten, trinken und altersbedingt auch gleich wieder Wasserlassen. Über 4000m wird es dann richtig gefährlich. Hier muss ich hinzufügen, dass ich ein wissbegieriges Wesen bin und schon diverse Vergiftungen durchgemacht habe. Dennoch habe ich sehr große Mühe, meine Augen offenzuhalten und mich auf den Weg zu konzentrieren. Liebend gerne würde ich mich einfach hinlegen und den Höhenrausch über mich ergehen lassen. Da der Abstieg jedoch die richtige Reaktion auf so ein Erlebnis ist, quäle ich mich weiter. Mit Singen, Schreien und lauten „Durchhalten, Weitermachen“ Parolen erreichen wir den höchsten Punkt bei über 4200m. Dann endlich geht es bergab und in meinem Kopf langsam wieder bergauf. Lediglich der Kopfschmerz bleibt.
Ganz nebenbei muss ich feststellen, dass meine Hinterradbremse in diesen Höhenlagen versagt. Nur nach zahlreichen Pumpdurchläufen kann ich das Teil funktionstüchtig bekommen.
Angekommen in Tupiza schlendern wir ein wenig durch den lokalen Markt. Auf einer Höhe von ca. 3000m bis zum Folgetag mit einem ordentlichen Brummschädel, Trinkorgien und selbstverständlich Dauergast in der Porzellanabteilung.

Tag 8-10

Tupiza (Bolivien) – Uyuni (Bolivien) ~195Km
Am Morgen stelle ich fest, dass unsere Motorräder auf dem Hotelparkplatz gefangen sind. Eine frühe Abreise ist damit nicht gegeben und erst nach dem Frühstück werden die anscheinend am späten Vorabend geparkten Autos nach und nach entfernt und wir können die Weiterreise angehen.
Es wird ein gemütlicher Reisetag. Vorbei an beeindruckenden Felsformationen und im Schneckentempo von erneuten 66Km/h geht es auf nach Uyuni. Am Ziel angelangt, stehen wir eine Weile verloren herum, weil die Hotelbesitzer den Standort ungenau angegeben haben. Zwar sehe ich ein Hotel in der Nähe, dieses halte ich jedoch für einen Mitbewerber. Irgendwann merken wir, dass ein aufmerksamer Mensch in einem LKW uns mit einer Handbewegung signalisiert, wo wir hin müssen. Der „Mitbewerber“ ist das Ziel. Nun gut, die körperliche Anstrengung fordert ihren Tribut und ich beschließe, 3 Nächte in Uyuni zu bleiben, um uns an die Höhe zu gewöhnen und Sehnen, Bänder und Muskeln etwas Erholung zu bieten.
Gutes Timing, denn in dieser Nacht bekommt auch meine Begleitung die Höhenkrankheit, welche Kopfschmerz, Schwindel und Kurzatmigkeit verursacht. Wir nächtigen in zwei verschiedenen Salzhotels, welche ich beide bedenkenlos empfehlen kann, wenngleich der Baustil typisch südamerikanisch ist. Bevorzugen würde ich das Hotel Casa de Sal. Ohne abgeschlossenen Parkplatz, aber ansonsten für ebenfalls empfehlenswert halte ich das Hotel Kachi de Uyuni.
Neben dem obligatorischen Besuch des Eisenbahnfriedhofes schlendern wir über den sonntäglichen Markt und besuchen Salina Grande. Mangels Kraftstoffreserven jedoch nur zu einem kleinen Teil. Auch wenn wir im späteren Tagesverlauf noch Benzin bekommen werden, haben wir aufgrund der Strapazen keine Lust, die Tagesreise weiter auszudehnen und verschieben das auf einen Trip zu einem anderen Zeitpunkt. Kulinarisch versorgen wir uns mit vegetarischen Burritos, die es in Uyuni in verschiedenen Varianten zu essen gibt.
Leider ist es in Uyuni sehr staubig und hell, dementsprechend vermummt müssen wir durch die Gassen ziehen. Trotz meiner Abneigung gegen Medikamente jeglicher Art holen wir uns zum Tourismusabzockpreis Medikamente gegen Höhenkrankheit. Da diese bei mir Kribbeln unter der Haut produzieren, habe ich nach der Einnahme von 3 Tabletten genug davon und warte einfach ab, bis mein Körper ausreichend rote Blutkörperchen produziert hat.

Tag 11

Uyuni (Bolivien) – Calamar (Chile) ~425Km
Ausgeruht und mit geplanter grenznaher Übernachtung machen wir uns auf den Weg. Die zuvor gefürchtete Schotterstrecke bis zum Grenzübergang bei Ollague, entpuppt sich als stark verfestigter Untergrund und wir kommen entsprechend gut voran. Vorbei an vulkanischen Gebieten und zurück auf altbekannte Höhen. Die Grenze auf bolivianischer Seite passieren wir mit erheblicher Wartezeit und den bekannten Verständigungsproblemen. Formular hier, Inspektion da und nach über einer Stunde geht es endlich weiter. Da wir auf der chilenischen Seite sehr freundlich und schnell abgefertigt werden, machen wir uns entgegen der Vorplanung weiter auf den Weg nach Calamar. Welch grandiose Idee.
Viele Kilometer auf luftiger Höhe, brutaler Seitenwind, atemberaubende Felsformationen und ab und an einige Flamingos an den Wasserstellen. Allmählich geht die Sonne unter. Natürlich fahren wir am Abend nahezu blind der Abendsonne entgegen. Ziemlich genau zum Anbruch der Dunkelheit, machen wir uns auf die Hotelsuche. Auch dieser Standort ist ungenau. Mein abgestelltes Motorrad hat aufgrund meiner Erschöpfung keinen Gang eingelegt und legt sich mal eben schnell auf die Seite. Ein Passant hilft sofort. „Mucho Peso“ – Ja, viel Gewicht.
Im Hotel hat der junge Mann an der Rezeption so gar keine Lust auf seinen Job. Trotzdem sitzen wir nach Abfertigung von Mensch und Material irgendwann im Restaurant und die Bedienung holt uns einen englischsprachigen Mann herbei, der uns bei der Essensbestellung hilft. Sehr nett.
Im Bett dann die Planung für den nächsten Tag. Es ist nicht weit bis zum Pazifik, da will ich mal hin, denke ich mir in meiner Naivität.

Tag 12-14

Calamar (Chile) – Antofagasta (Chile) ~217Km
Eine ganz entspannte Fahrt auf einer ausgebauten Ruta. Vorbei an riesigen Tagebauen und kurz vor der Küste nochmal ganz steil nach unten. Das Hotel finden wir auf Anhieb. Nur die Sprachbarriere ist wieder ein Problem. Der Übersetzer will auch nicht funktionieren. Der genervte Mitarbeiter wird von einer geduldigeren Frau abgelöst, die uns mit Händen und Füßen alles zeigt und erklärt. Hier ist es weniger der Wortschatz, sondern mehr der Akzent, der uns Probleme bereitet, wie ich im Nachgang feststelle. Das Zimmer im obersten Stock ist geräumig und gut ausgestattet. Leider sind die Fenster lediglich einfach verglast und das Hotel liegt direkt neben einer vierspurigen Rennstrecke unmittelbar zum Strand. Verkehrslärm 24/7 und ich bin allergisch dagegen. Glücklicherweise habe ich für diese Reise genügend Ohrstopfen dabei.
Der Strand ist ziemlich felsig, dreckig und uninteressant. Die Stadt dagegen ganz nett anzuschauen. Am Folgetag starren wir überwiegend gelangweilt in unsere mobilen Endgeräte. Ich fasse den Entschluss, nie wieder vorab 2 Nächte zu buchen.

Tag 14

Antofagasta (Chile) – San Pedro de Atacama (Chile) ~311Km
Am Abreisetag nuzen wir eine andere Route durch die Stadt. Diese führt uns durch die Armutsviertel. Noch nie zuvor habe ich so unfassbar viel Müll gesehen. Ich frage mich, warum Armut und Vermüllung so häufig gepaart aufzufinden ist.
Dann geht es auf derselben Strecke zurück nach Calamar und von da aus in die Atacama-Wüste. Landschaftlich ein tolles Erlebnis und die Höhenmeter waren kein Problem mehr. Ich mag Touristengebiete überhaupt nicht, aber hin und wieder kommt man an diesen Orten nicht vorbei. Angekommen in San Pedro de Atacama bekomme ich meinen Glaubenssatz wieder bestätigt. Glücklicherweise ist aktuell Vorsaison und es ist vergleichsweise wenig los.
Das Hotel Jardín Atacama kann ich hier ausdrücklich empfehlen. Abgeschlossener Parkplatz, beliebt bei Bikern und das zweitbeste Frühstück auf unserem Trip. Die Stadt ist niedlich, aber außer touristischen Einrichtungen wie Souvenirläden, Restaurants und Touragenturen gibt es nicht viel zu entdecken. Eine Nacht reicht uns zur Erholung und nach einem ausgiebigen Frühstück und Small Talk mit anderen Bikern machen wir uns wieder auf den Weg. Nicht ohne den Plan zu schmieden, dieses Gegend in der Zukunft erneut zu besuchen.

Tag 15

San Pedro de Atacama (Chile) – Ruta 40 (Argentinien) ~ 307Km
Weiter geht es über guten Asphalt und mit kaltem Wind auf über 4800m in Richtung Argentinien. An der Grenze haben wir ganz vergessen, dass wir Einreiseformulare für unsere Motorräder bekommen und auch dabei haben und sind felsenfest der Meinung, diese nicht zu besitzen. Das sagen wir dem Beamten auch mehrfach und nach etwas hin und her „verwarnt“ er uns und winkt uns durch. Meiner Meinung nach nur eine bürokratische Formalität, schließlich wurde beim Landeseintritt alles elektronisch erfasst.
Irgendwann biegen wir auf den ungeteerten Teil der Ruta 40 ab. Hier erleben wir zwar eine atemberaubende Landschaft, aber die Fahrt auf dem Untergrund fordert all unsere Kräfte. Auf der Suche nach einem Lagerplatz für die Nacht biege ich dummerweise in einen Weg ab, der sich als Tiefsand entpuppt. Zu zweit schaffen wir es mit Mühe und Not, den Packesel wieder dort herauszubekommen. Schieben alleine hätte es nicht gebracht, also „fahre“ ich nebenher gehend das Motorrad im ersten Gang und mit dosiertem Gas dort hinaus, während meine Begleitung kräftig anschiebt.
Allmählich macht sich die Dunkelheit breit und das Stresslevel steigt an. Irgendwann sehe ich dann endlich einen Spot und wir bereiteten alles vor für die Nacht. Am Abendessen verschlucke ich mich dermaßen, dass ich den Rest der Mahlzeit ausfallen lasse. Hunger bin ich mittlerweile gewohnt. Im Schlafsack eingepackt, bekomme ich einen inneren Impuls, durchsuche meine Bauchtasche und krame das zuvor erwähnte Einreiseformular hervor.
Die Nacht beglückt uns mit einem wirklich atemberaubenden Sternenhimmel, den ich so noch nie zuvor gesehen habe. Gleichzeitig wird es die ruhigste Nacht in meinem Leben. Kein einziges Geräusch gelangt in meine Ohren. Selbst der Wind hat nach Beginn der Dunkelheit aufgehört zu wehen. Die Nacht ist kühl, denn unsere Schlafsäcke dienen nicht für die kalte Jahreszeit. Meine Motorradjacke muss hier als zweite Decke herhalten. Isomatte und Luftmatratze sind für die Katz, also ist der Hüftknochen irgendwann deutlich spürbar. Hier erlebe ich zum ersten mal eine Atemnot. Ich lasse mich davon angesichts der Umstände jedoch nicht verunsichern, sondern finde es eher amüsant. Das GPS zeigt eine Höhe von 4.000m. Irgendwann schlafe ich mit dem Gedanken ein, dass wir am nächsten Morgen vermutlich ein Hotel gleich um die Ecke sehen werden.

Tag 16

Ruta 40 (Argentinien) – La Quiaca (Argentinien) ~ 239Km
Noch vor Sonnenaufgang packe ich mit kalten Fingern unseren Krempel zusammen. Dann geht es weiter über kleinere Bachläufe und vergleichsweise festen Untergrund. Nach ca. 2Km finden wir eine kleine Siedlung, in der es auch eine Übernachtungsmöglichkeit gibt. Nun haben wir jedoch das Zelt dabei und es sollte zumindest einmal zum Einsatz kommen. Bei der nächsten Tour werden wir es aber nicht mehr mitnehmen.
Es ist so kalt, dass das Spritzwasser an den Schuhen und am Hosenbein sofort zu Eis wird. Irgendwann schmerzen die Hände trotz Winterhandschuhe und die Fußspitzen so stark, dass wir im nächsten sonnigen Bereich anhalten müssen. Nach einer halben Stunde hat uns die Morgensonne genügend aufgetaut und wir fahren weiter. Der Tag belohnt uns mit sagenhaften Aussichten und einer spektakulären Vulkanlandschaft. Sollte dieser Abschnitt der Ruta 40 irgendwann mal asphaltiert werden [Planung steht, Finanzierung fehlt], werden wir wiederkommen und es dürfte den Tourismus in diesem Bereich kräftig ankurbeln. Es geht über Stock und Stein, durch Täler und am Ende der Etappe über die gefürchteten Querrillen oder auch Wellblechwege. Da lösen sich auch gleich zwei Schrauben an den Motorrädern, wie wir später feststellen.
Erschöpft und genervt erreichen wir am frühen Abend La Quiaca. Eine günstige Unterkunft [Casa Azul] reicht uns, um wieder zu Kräften zu kommen. Zum Abendessen gibt es Chips, welche wir nicht leer bekommen und am nächsten Morgen den Besitzern der Unterkunft schenken.

Tag 17

La Quiaca (Argentinien) – Termas de Reyes (Argentinien) ~285Km
Ursprünglich wollten wir über Bolivien zurück nach Paraguay fahren. Da an diesem Tag jedoch Präsidentenwahlen sind, sind die Grenzübergänge nach Bolivien für Fahrzeuge gesperrt.
Also plane ich um und wir gönnen uns einen Hauch von Luxus im Hotel Spa Termas de Reyes.
Ich sehe vorab keine interessanten Dinge auf dieser Strecke und stelle mich auf eine langweilige Fahrt ein. Diese Erwartung wird in der ersten Hälfte der Strecke auch erfüllt. Auf der zweiten Hälfte treffen wir jedoch auf schöne Berglandschaften, kurvige Straßenverläufe, Touristengebiete und jede Menge Motorradfahrer. Also grüßen, bis der Arzt kommt.
Ganz entspannt im Kopf und total verspannt im Körper erreichen wir das Hotel. Dort ist die Hölle los, weil es in Argentinien Muttertag zum Feiern gibt.
Netterweise dürfen wir unsere Motorräder direkt am Eingang parken und werden trotz Sprachbarriere herzlich in mühevollem Englisch empfangen. Kurz nach dem Check-in machen wir uns auf zur Therme, also dem warmen Pool. Was für eine Offenbarung. Etwas jammernd steige ich ins Wasser, da die 42° Badetemperatur ungewohnt ist. Kaum im Wasser, entspannt sich die gebeutelte Muskulatur. Länger als 20min macht der Körper dieses Ereignis jedoch nicht mit, da er natürlich irgendwie gekühlt werden muss. Am Abend wiederholen wir das Ganze und es wird zu einem Highlight der Reise.
Leider haben wir in der Nacht rücksichtslose Zimmernachbarn die laut Zeugenaussage [Ich trage Gehörschutz], vermutlich unter Drogeneinfluss lautstark ca. 2h lang paaren und auch ansonsten jeder Lärmquelle zuneigen. Das Spektakel dauert wohl bis 02:30Uhr. Eine telefonische Beschwerde mangels ausreichender Sprachkenntnisse ist bedauerlicherweise unrealistisch.
Nach einem für diese Hotelkategorie erbärmlichen Frühstück geht es auf zum langweiligen Teil der Rückreise: Kilometerfressen auf der Ruta 81.

Tag 18

Termas de Reyes (Argentinien) – Ingeniero Juarez – Ruta 81 (Argentinien) ~519Km
Am Morgen habe ich mich wie so oft vom Navigationsgerät blind leiten lassen und wir garaten in eine Baustelle, bei der der Straßenabschnitt eigentlich gesperrt ist. Zuvor habe ich ein Gespräch mit einem winkenden Mann, der sogar einige wenige Worte Deutsch sprechen kann. Immer wieder spannend, diese Begegnungen in der freien Wildnis.
Da wir Geländemotorräder haben, ist es kein Problem, den Bauabschnitt zu passieren. Langsam und rücksichtsvoll lassen wir den Bereich hinter uns. Danach geht es nur noch geradeaus und man muss aufpassen, nicht einzuschlafen. Unsere Maximalgeschwindigkeit beträgt 75Km\h. Damit haben unsere 300er eine Drehzahl von ca. 4900. Das schont den Motor, zügelt den Verbrauch und minimiert die Vibration. Dafür sitzen wir jedoch auch knapp 10 Stunden auf dem Bock. Während dieser Zeit festigt sich der Wunsch, auf eine größere Maschine zu wechseln.
Gnadenlos zerstört erreichen wir das Übernachtungsziel. Dort angekommen vergessen wir alle Ansprüche und sind bereit, die präsentierte Spelunke zu nehmen. Leider ist der Pächter nicht in der Lage, ausländische Kreditkarten anzunehmen und wir müssen unter innerlichen und äußerlichen Klagelauten weitersuchen. Bei der naheliegenden YPF Tankstelle finden wir ein kleines Motel, das glücklicherweise nicht ausgebucht ist. Im Zimmer stinkt es nach Abfluss und wir verlassen erneut unseren Körper. Zum Abendessen gibt es Cola und Schokoriegel. In der Nacht gelangen riesige Grillen ins Zimmer, welche von meiner Begleitung eliminiert weden. Ich habe Dank meines geliebten Gehörschutzes davon wieder nichts mitbekommen, finde am Morgen jedoch die Leichen vor. In der morgendlichen Dunkelheit sehen wir zu, dass wir schnell von dort wegkommen und weiter geht es an das gefürchtete Kilometerfressen.

Tag 19

Ingeniero Juarez – Ruta 81 (Argentinien) – Wohnsitz (Paraguay) >600Km
Im dunklen Morgengrauen düsen wir mit unseren 75Km/h über den Teer. Es gibt links und rechts nichts Spannendes zu sehen. Die Kilometer erscheinen uns endlos. Etwa alle 100Km machen wir kleine Pausen und beklagen unsere Wehwehchen. Am Nachmittag erreichen wir endlich die Grenze, an der wir wiederum zunächst irritiert herumstehen. Nach wenigen Augenblicken erscheint ein Grenzmensch, der uns den Weg zeigt. An der Grenze Argentinien-Paraguay in Asuncion ist der Übergang Routine und wir dürfen recht schnell wieder in unsere Wahlheimat einreisen. Irgendwie fühle ich mich wieder Zuhause und fahre etwas wilder als sonst.
Am frühen Abend kommen wir dann leicht lädiert aber zufrieden an unserem Nestplatz an und lassen den Abend leise ausklingen.
Dies markierte das Ende der Reise mit dem Motorrad durch halb Südamerika.

Bilderbuch

Ich muss so ehrlich sein und mitteilen, dass ich kein Freund von Fotografien bin. Immer wieder anhalten, Kamera herauskramen und die gemachten Bilder später im digitalen Nirvana verweilen lassen, nein Danke!
Dennoch hatte ich hier und da ein paar Eindrücke festgehalten:

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