Bin ich ein geldgieriger Kapitalist? Laufe ich dem Geld hinterher ohne auf die Nachteile des Kapitalmarktes zu achten? Bin ich mehr wert, als jene, die weniger haben? Bin ich weniger wert, weil andere mehr haben? Begehe ich manchmal Selbstbetrug? Mit all diesen Fragen sehe ich mich regelmäßig konfrontiert. Deshalb geht es heute mal um mein Wertesystem. Um die Beantwortung dieser Fragen und wie ich den Kapitalismus und das Gewissen miteinander vereinbare.
Reflektion
Zugegeben, ich bin der reflektierende Typ Mensch. Getroffene Entscheidungen und Meinungen werden regelmäßig überprüft. Es gibt in meinem Inneren ein Kontrollprogramm. So verhält es sich auch am Kapitalmarkt. Ein beständiges Abwägen, Überdenken und Ausprobieren. Mir ist es wichtig, alle Seiten zu betrachten und mit meinem Wertesystem abzugleichen. Das Wertesystem ist allerdings nicht in Stein gemeißelt. Schon kleine Änderungen können zum Umdenken oder Anpassungen führen. Das hilft mir dabei, den Kapitalismus und das Gewissen auf die gleiche Ebene zu bringen.
Klarheit oder Scheuklappen
Ich verwende die Technik der Klarheit und des Ausblendens. Z.B. bin ich der Meinung, in Pharma Unternehmen zu investieren ist unmoralisch, denn in den seltensten Fällen geht es dort um Gesundheit. Deshalb besitze ich keine Einzelaktien in dieser Branche. Dennoch bin ich dort über diverse ETF investiert. Dies blende ich jedoch aus. Ich nenne es das Scheuklappenprinzip.
Finden die Scheuklappen keine Anwendung, dann bleibt mir nur die Klarheit. Sie entsteht, wenn das Negative so stark ist, dass ich es nicht ausblenden will. Es gilt auch für den Fall, dass ein Kompromiss nicht gefunden werden kann.
Die Kehrseite der Medaille
Einige sehen Investitionen in Rüstung kritisch. Hier habe ich eine weitere Technik für mich entdeckt. Die berühmte Kehrseite der Medaille. Ja, durch Rüstung sterben Menschen. Durch Rüstung werden jedoch auch Leben gerettet. Die Verwendung einer Schusswaffe führt nicht immer zu Leid, sie kann auch eine Gewalttat verhindern. Atomwaffen sind übel aber sie schrecken auch ab. Kampfflugzeuge haben viele Tote erzeugt aber die technischen Erkenntnisse aus dem Flugzeugbau kommen dem Linienverkehr zu Gute.
Beschäftigunsverhältnisse können negativ sein und unglücklich machen. Dennoch schaffen Firmen Arbeitsplätze und damit Wohlstand.
Außerdem mag ich keine Monopole, dadurch werden andere aus dem Markt gedrängt und die Gefahr von Machtmissbrauch befeuert. Oft gibt es jedoch gute Gründe für den Erfolg eines Unternehmens. Monopole entstehen nicht einfach so. Hier gibt es Chancen, die positiven Aspekte zu extrahieren und neu zu formen.
Woher kommt die Verachtung
Ich denke, einige haben nicht wirklich etwas gegen Kapitalismus, sondern hassen das (selbst erzeugte) Bild von einem Kapitalisten. Der typische (gehasste) Kapitalist hat ein hochpreisiges Fahrzeug, parkt im Halteverbot und ist mit glänzendem Equipment behangen. Er schaut dich an, als seist du eine wertlose Eintagsfliege.
Vermutlich kann man es bereits herauslesen. Die eigene Abwertung hat begonnen, der Feindbilderkenner hat angeschlagen. Auf der emotionalen Ebene verhindern die Scheuklappen den klaren Blick.
Tatsächlich treten die allermeisten Millionäre gar nicht so auf, sondern verhalten sich unauffällig. Das oben skizzierte Bild zeigt eher einen egogetriebenen Menschen mit Schulden und emotionalen Abgründen. Es ist nichts, dass man bekämpfen oder verachten müsste.
Kapitalismus kann fair sein
Trotz aller Nachteile, welche der Kapitalismus mit sich bringt, stelle ich eines fest: Alle Menschen können mitmachen. Es ist keine Einladung erforderlich. Das Wissen steht uns allen kostenlos zur Verfügung. Auch mit wenig Budget kann ich ein Profiteur von Dividenden und Kursgewinnen sein. Nicht alle Unternehmen sind automatisch schlecht. Mit einer Kapitaleinlage kann ich einer fairen Firma ein positives Signal geben.
Der schlechte Mensch
Als Investor muss man kein Unmensch sein. Kapitalismus und das Gewissen können zusammenpassen. Dennoch muss ich zugeben, dass es leicht ist, den Boden unter den Füssen zu verlieren. Geldgier kann den Charakter verderben. Ich denke jedoch, dass das Motiv die entscheidende Rolle spielt. Will ich Geld haben um mich besser zu fühlen oder um mehr Zeit für schöne und soziale Dinge zu gewinnen?