Das zweite Jahr in Paraguay

Das zweite Jahr in Paraguay

Aufgrund persönlicher Hürden bin ich etwas spät dran mit meiner Berichterstattung zur Auswanderung. Aber besser spät, als nie. Das zweite Jahr in Paraguay gleicht stark dem ersten. Im Vergleich zu meinem letzten Beitrag hat sich ausserhalb des eigenen Körpers wenig geändert. Ich denke jedoch, dass meine Erfahrung ein guter Ratgeber für Menschen sein kann, die sich überlegen, hier ein neues Zuhause zu finden. Das zweite Jahr in Paraguay birgt somit keine Überraschungen, vertieft jedoch die bereits getippten Details.

U21

Junge Menschen mit einem hohen Drang nach sozialer Bestätigung bekommen hier sehr schnell Frust, kapseln sich ab und geraten mit den Eltern in Konflikt. Absurd finde ich daran, dass es vielen so geht, aber jeder für sich den Austausch mit ebenfalls Betroffenen zumeist ablehnt. Da wird sich lieber eingebunkert und der Tag am PC verbracht. Produktiv ist dann nur noch das Netzteil.

Self Made Man

Wer sich jedoch im Onlinebusiness wohl fühlt, sich als Fünfzigmillionster Webdesigner noch Kunden an Land ziehen kann, als Affiliate Marketingprofi noch eine Nische findet, bei Spreadshirt (Print on Demand) trotz Sklavenlohns noch Beute macht oder irgendetwas findet, womit sich Geld einbringen lässt, der ist im Unternehmerparadies. Billiger Strom, (fast immer) keine Steuern und Natur pur.

Immobilienmogul

Nach wie vor der Dauerbrenner ist das einfallsreiche Immobilieninvestment. Der No-Brainer. Land kaufen, deutlich teurer an Ahnungslose verkaufen, Buden draufstellen, zu lächerlichen Preisen vermieten oder ebenfalls an Verzweifelte verscheuern.
Jedoch hat sich nach der Beruhigung der Lage in DE im Bereich der „Gesundheitspolitik“ die Rückwanderquote drastisch erhöht und die Preise purzeln deutlich. Ist mir aber immer noch zu teuer, ich kann warten.

Infrastruktur

Sie wächst und gedeiht. Jeden Monat wird das Angebot vielfältiger, die Straßen besser, lediglich das Gemüse ist immer vor dem Gammelpunkt. Außer man düst nach Asuncion zum Casa Rica, die haben Güteklasse A.
Strom ist billig aber oft nicht verfügbar. Dieselgenerator und USV gehören zum Pflichtprogramm. Solar lohnt sich sowas von, da werde auch ich früher oder später zugreifen.

Sprache

Ich hatte für mehr als ein halbes Jahr null Bock auf Spanisch. Aktuell mache ich jedoch wieder mehr sprachliche Weiterbildung. Zurückblickend auf die ersten Wochen sehe ich hier schon einen deutlichen Unterschied. Und in zwei weiteren Jahren wird es garantiert noch besser sein. Wer es kann, der ist hier klar im Vorteil. Wer nicht, der kommt trotzdem irgendwie klar.

Sicherheit

Gibt es nicht. Dafür aber fast grenzenlose Freiheit. Mir ist noch nichts passiert, aber ich rechne immer damit. In einigen Gebieten (Independencia, Hohenau) haben Überfälle drastisch zugenommen. Hier helfen große Hunde, stete Präsenz oder ein Haus in einem gesicherten Barrio. Sicherheitsgarantie gibt es aber nirgends. Konsens ist, wer sich nicht wehrt, darf sein Leben behalten.

Ausblick

Solange der Steuersatz für meinen Fall bei null oder niedrig bleibt, wird Paraguay mein Hauptwohnsitz bleiben. Ich plane jedoch, mich hier nur teilweise im Jahr aufzuhalten. Sollte sich in Zukunft etwas anderes ergeben, werde ich jedoch definitiv weiterziehen. Das zweite Jahr in Paraguay hat mir also eindeutig Ernüchterung gezeigt.
Aktuell suchen wir ein Grundstück in einer bereits ausgekundschafteten Gegend. Sobald wir fündig geworden sind, werden wir unüblich bauen. Sollte dieser Plan aufgehen, werde ich alles öffentlich dokumentieren. Nach Fertigstellung sind Gäste gerne willkommen.

Multiple Choice

Paraguay ist ungeeignet für:

  • Handwerker mit Mondpreisen
  • Menschen mit Erlebnisdrang
  • Stark Sicherheitsbedürftige
  • Staatsgläubige
  • Tierliebhaber ohne Abschaltfunktion
  • Menschen mit Abneigung gegen Armut
  • Bergfreunde
  • Wassersportler
  • Angeber
  • Unflexible

Paraguay ist geeignet für:

  • Sonnenanbeter
  • Alkoholiker
  • Kettenraucher
  • Börsenhändler
  • Dividendensparer
  • Gastronomen mit dickem Fell
  • Motorradfahrer
  • Waldarbeiter
  • Staatsungläubige
  • Selbstversorger mit Durchhaltevermögen
  • Anpassungsfähige
  • Rentner

Gescheitert

Die Rückwanderungsqoute liegt bei über 50%, auf lange Sicht bei über 90%.
Eine Rückwanderung hat in vielen Fällen mit dem Kulturschock zu tun. Verständlich, zeugt jedoch stark von mangelndem Anpassungsverhalten. Alte Programmierungen sind eben schwer zu löschen. Einige mussten Gewalt erfahren, da ist das Motiv schon verständlicher.

Religion

Ich habe hier schon die tollsten Sachen gehört. Alles was man von den Gehirnwäscheanstalten berichtet bekommt, findet man hier tatsächlich wieder. Stark vertreten sind Wettermanipulation, Giftverteilung aus der Luft, Ruhigstellung durch einen Inhaltsstoff in der Zahnpasta und die flache Erde. Je länger die Leute hier sind, desto intensiver der Glaube. Echokammer und Herdentrieb sollten als Ursachen passen. Körper verlassen und Thema wechseln zählt hierbei zu meiner Hauptstrategie. Glauben versetzt bekanntlich Berge, egal ob in Europa oder Südamerika. Ich bleibe bei meinem Motto, Glauben bedeutet „nicht wissen“. Die Hölle wartet schon auf mich.

Inside Job

Da man hier jederzeit den Stecker zur Außenwelt ziehen kann und dieser bei mir fast dauerhaft gezogen ist, verbringe ich viel Zeit im engen Familienkreis und blicke gerne nach Innen. Man nimmt sich Zeit, alte Knoten aufzulösen und Fixierungen zu beseitigen.
Man stelle sich vor, es gibt keinen Briefkasten, geschweige denn, eine Hausnummer. Ich liebe es.

Aktiv

Langeweile gibt es nicht mehr. Tiere, Pflanzen, Grundstückspflege und handwerkliche Tätigkeiten füllen den Tag locker aus. Ein selbst gebauter Trockenautomat soll zusätzliches Kapital einbringen. Klappt das nicht, essen wir eben alles selbst auf.

Korruption

Die gibt es auch in Paraguay, hier jedoch zusätzlich zum Wohle der Büger.

Kohle

Man glaubt es oder eben nicht, aber wer 100.000€ auf der hohen Kante hat, der kann sich hier zur Ruhe setzen. Wer noch eine kleine Bude sein Eigen nennen will, der sollte noch 20.000 – 40.000€ oben drauf legen.

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