Psychologie Im Trading

Psychologie im Trading

Mein Kerngebiet ist die Psychologie. Wahrscheinlich bin ich genau deshalb auch zum Trading gekommen. Kein Erfolg im Trading ohne eine ausgedehnte Reise nach Innen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass dies gerne vermieden wird. Schließlich ist Vermeidung immer der erste Impuls, den das Hirn aussendet, um sich vor weiteren negativ empfundenen Erfahrungen zu schützen. Psychologie im Trading mögen einige belächeln und an Seite stellen. Nach meinem derzeitigen Kenntnisstand ist dies jedoch, neben gewissen Grundlagen, die alles entscheidende Komponente. Deshalb ist heute einmal Tiefgang angesagt.

Entscheidung

Keine Entscheidung funktioniert ohne eine Emotion. Das Gehirn macht eine Analyse und erstellt dazu eine fiktive Zukunft, in dem ein Ereignis eintritt, das als positiv oder negativ empfunden wird. Diese Erkenntnis soll zunächst als Grundlage verstanden werden.

FOMO

FOMO ist immer noch ein sehr großer Störfaktor in meinem Tradingverhalten. FOMO (Fear of missing out, Angst, etwas zu verpassen) korreliert mit einer Emotion:
Es wird befürchtet, in der Zukunft eine jetzt zu treffende Entscheidung zu bereuen: („Ach, hätte ich doch gekauft“).

Verlustangst

Wer hätte es gedacht, die ganze Sache ähnelt der vorgenannten Geschichte:
Es wird befürchtet, in der Zukunft eine jetzt zu treffende Entscheidung zu bereuen, wenn die Position wieder in den Gewinn läuft: („Wäre ich doch dringeblieben“) oder die Vermeidung wird aktiviert („Ich will nicht schon wieder Verlust machen“).

Gier

Diese Ego-getriebene Emotion wird oft thematisiert, in meiner Erfahrung hat sie jedoch keinen nennenswerten Stellenwert. Deshalb kann ich auch keine Erfahrung teilen. Wer davon betroffen ist, kann sich jedoch ebenfalls auf die Suche nach der Ursache machen.

Intuition

Das kennt jeder, die Intuition ist das Bauchgefühl. Diese wiederum spiegelt Erfahrungen wider, die das Gehirn nicht mehr bewusst machen muss. Irgendwann taucht sie auch im Trading auf. Man erhält ein Gespür für einen Einstieg, wann ein Wendepunkt auftritt und wann eine Kerze höchstwahrscheinlich die Richtung ändern wird. Damit lässt sich arbeiten.

Impulsivität

Die Impulsivität ist nichts anderes als Aktionismus. Man muss jetzt irgendwie reagieren. Als Basis dienen immer die oben genannten Emotionen. Damit lässt sich nicht arbeiten. Und ich muss leider zugeben, dass die Mehrheit meiner Trades impulsiv eingeleitet wurden.
Und nun wird es richtig bitter. Je impulsiver ein Mensch reagiert, desto schlimmer oder einflussreicher sind die unbewusst abgespeicherten Erlebnisse.

Ausprägung

FOMO und Verlustangst haben einen Vorfahren zur Grundlage, der je nach Erfahrungskurve sehr unterschiedlich sein kann. In meinem Falle ist die ursprüngliche Verlustangst geklärt, aber die neuere Fixierung (öffentlich dokumentierte Verluste) hat noch Bestand. Es scheint mir jedoch an einem gesunden Level zu sein.
Meine FOMO-Ausprägung habe ich leider noch nicht ergründen können, aber es sollte klar sein, dass ein öffentliches Depot beim Ego einen gewissen Lieferzwang einfordert. Spürbar ist auch der Wunsch nach Wiedergutmachung. Die beiden Dinge sind mir jedoch schon bewusst geworden. Meine Intuition sagt mir deshalb, dass es dazu noch eine (ungeklärte) tiefere Ebene gibt.

Ausführung

Kommen wir zurück zur Entscheidungsfindung. Der Wunsch danach, eine (zunächst fiktive) Belohnung zu erhalten, wird mit einer weiteren Komponente vermischt. Dem Gefühl, richtig zu liegen oder der Angst, die Belohnung zu verpassen. Damit ist der Wunschcocktail gemischt. Die schnell wachsende grüne Kerze wird zum Auslöser, der Trade kann beginnen.
Hin und wieder geht der Plan tatsächlich auf. Die Endorphine sprudeln, man ist der King. Sehr häufig passiert jedoch das Gegenteil. Viel schlimmer wird es, wenn man in der Vergangenheit einen Trade oder eine Position verlassen hat und diese wenig später in den Gewinn läuft, man nun aber nicht mehr dabei ist. Das Gehirn schlussfolgert dann ganz schnell, dass dieser Weg falsch sein muss. Damit ist BUY & HOLD geboren. Dazu gesellt sich: Einstandskurs verringern. Dauert das Falschliegen sehr lange und wird der Verlust zu groß, tauchen Schamgefühle und Selbstzweifel auf. Lange Zeit dachte ich, ich würde diesen Dingen widerstehen können, doch ich irrte mich mehrfach.
Ich stelle damit nicht in Frage, dass Buy & Hold irgendwo funktioniert, schließlich führe auch ich immer noch „Long only“ Positionen im Zweitdepot, welche gelegentlich aufgestockt werden, aber im Trading wird sich das früher oder später rächen. Geht die Rechnung im Long-Depot nicht auf, kann auch dort ein ordentliches Loch hinterlassen werden.

Verantwortung

Verluste realisieren bedeutet, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Sind die Verluste klein, ist das recht einfach. Den „Fehler“ kann man leicht verstecken. Die Methode ist fraglich, aber wirksam.
Große Verluste erfordern da schon mehr Kraft. Oft muss man erst in eine Verzweiflungsebene geraten, um diese zu realisieren. Damit ist keine Umgehung möglich, man spürt die volle Bandbreite der Emotionen und diese Methode ist nicht die beste Wahl. Zumindest nicht rechnerisch. Ein Besuch im Keller der Empfindungsebene kann jedoch dabei helfen, neue positive Gewohnheiten zu entfalten.

Gute Seiten

Nicht jede Emotion ist schlecht. Ein gewisser Treiber ist schon hilfreich, um sich von der Stelle zu bewegen oder existenzvernichtende Aktionen zu vermeiden. Aber eine Blockierung verdient eine Löschung.

Die 3 Muscheln Fragen

Ich war schon der Meinung, dass man sich die Impulsivität abtrainieren kann. Das hat leider nicht geklappt. Was aber funktioniert, ist die Bewusstmachung. Sobald der Impuls kommt, nimmt man diesen wahr (ist eine Frage des Trainings) und stellt sich 3 Fragen:

  • Was fühle ich?
  • Warum fühle ich das?
  • Warum Trade ich?

Geheimtipp: Die ersten beiden Fragen sind auch eine tolle Alltagshilfe.

Interessant

Spannend finde ich, dass Videos zum Thema Psychologie im Trading deutlich weniger Aufrufe haben, als diese mit idiotensicheren Erfolgsindikatoren. Ich bin mal so frech und stelle dazu die langfristige Erfolgsquote von Investoren und Tradern dagegen. Jedoch habe ich keinen Beweis gegen die Aussage, dass dieser Vergleich nur dazu dient, meine These zu untermauern. Time will tell.

Langsam und stetig

Sind die 3 Fragen beantwortet, verschwindet der Impuls in den meisten Fällen. Basierend auf diesem Wissen positioniere ich mich aktuell und hoffentlich auch in Zukunft am Kapitalmarkt. Das Depot soll langsam und stetig wachsen und trotzdem Abenteuer und Action erleben dürfen. Nur soll Aktionismus keinen Raum mehr einnehmen. Damit endet der kleine Abstecher zum Thema Psychologie im Trading und ich gelobe mir selbst Besserung.

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